Uni und Landkreis Altenkirchen treiben digitale Gesundheit voran

Der Landkreis Altenkirchen und das Forschungskolleg der Universität Siegen planen eine Kooperation zum Thema Digitale Gesundheit. Zwei Projekte sollen umgesetzt werden: der Einsatz von medizinischen Assistenzsystemen und die Errichtung eines Gesundheitskiosks.

Eine der grundlegenden Ideen, um die Gesundheitsversorgung in ländlichen Gebieten zu verbessern, ist ein verstärkter Einsatz von nichtärztlichen PraxisassistentInnen (NäPas), die von medizinisch-technischen Assistenzsystemen unterstützt werden. Darüber hinaus könnten sogenannte Gesundheitskioske als Orte des Austausches und bei gesundheitlichen Fragen für die Bevölkerung eingerichtet werden. Diese Ansätze wurden auch beim Themenworkshop „Digitale Gesundheit Kreis Altenkirchen 2019“ diskutiert und sollen im Rahmen eines gemeinsamen Projektes zwischen dem Landkreis und dem Forschungskolleg (FoKos) der Universität Siegen (FoKoS) in diesem Jahr entwickelt werden.

Unterschiedliche Krankheitsbilder bedürfen individueller medizinischer Versorgung. Eine bevorstehende Abgangswelle führt zu einer signifikanten Reduktion der niedergelassenen Vertragsärzte und -psychotherapeuten im Kreis Altenkirchen. Landrat Michael Lieber ist daher besorgt um die zukünftige gesundheitliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger. Deshalb initiierte er mit dem Direktor des FoKoS, Prof. Dr. Dr. Björn Niehaves, den Workshop in Siegen, an dem auch Vertreter des Expertengremiums „Hausärztliche Versorgung im Landkreis Altenkirchen“ teilgenommen haben.

Gemeinsam mit den Altenkirchener Medizinern Dr. Erik Becker, Dr. Wolfgang Dörwaldt und Dr. Michael Theis, der Regionalentwicklerin Jennifer Siebert sowie der evangelischen Landjugendakademie, vertreten durch Meike-Mirjam Drey und Matthias Gebauer, gingen die TeilnehmerInnen der Frage nach, welche Projekte im Bereich der digitalen Gesundheit im Laufe des Jahres im Landkreis Altenkirchen erforscht und praktisch erprobt werden könnten. Konkret sollen zunächst die nichtärztlichen PraxisassistentInnen durch den Einsatz von digital-technischen Assistenzsystemen in ihrer täglichen Arbeit unterstützt werden. Bei Hausbesuchen können die Geräte fachgerecht von den AssistentInnen an den PatientInnen angelegt werden. Die PatientInnen lernen so den Umgang mit den neuen Technologien und können schneller Vertrauen in die technischen Helfer fassen. Die AssistentInnen wiederum werden entlastet, da die händische Datenaufnahme und -weitergabe mehr und mehr substituiert werden kann.

Der Allgemeinmediziner Dr. Dr. Charles Adarkwah erläuterte, wie eine analoge Praxis zu einer digital funktionierenden Praxis umgestaltet werden kann. Er ist Vertretungsprofessor für Versorgungsforschung an der Lebenswissenschaftlichen Fakultät (LWF) der Uni Siegen. Das Konzept erarbeitete er gemeinsam mit seinem Kollegen Prof. Dr. Rainer Brück, der die dafür notwendige technische Ausrüstung an der Fakultät und seinem Lehrstuhl für Medizinische Informatik und Mikrosystementwurf entwickelt hat. Ein entsprechendes Einsatz-Szenario könnte etwa so aussehen, dass mit Hilfe spezieller medizinischer Geräte der Blutdruck von zu Hause aus gemessen werden kann. Die Werte werden umgehend in eine digitale Cloud übermittelt und sind in der Patientenakte verfügbar. Auf die Akte kann der Hausarzt oder die Hausärztin von überall und zu jeder Zeit zugreifen. Rezepte könnten automatisiert erstellt werden. Denkbar ist zu einem späteren Zeitpunkt auch die Übermittlung an die Apotheke auf digitalem Weg. PatientInnen müssten für die Blutdruckmessung also keine Praxis aufsuchen. Die Daten könnten durch den Einsatz innovativer Technik zudem häufiger erhoben und ausgewertet werden, sodass die Versorgung verbessert wird. Die PatientenInnen könnten zudem allen behandelnden Ärzten Zugriff auf ihre digitale Akte gewähren. Dies würde die Kommunikation unter den Ärzten erleichtern und Synergieeffekte erzeugen. Für eine dezentrale Datenerhebung und -speicherung sprach sich auch Prof. Dr. Joachim Labenz von der Fachabteilung für Innere Medizin des Diakonie-Klinikums Jung-Stilling in Siegen aus. Er nannte als Beispiel eine Refluxbehandlung, die in verschiedenen medizinischen Einrichtungen erfolge.

„Mit den verschiedenen Technologien und Anwendungen, die wir im FoKoS im Hinblick auf einen Einsatz in der Praxis erforschen, kann Versorgungslücken in ländlichen Regionen entgegengewirkt werden“, sagte Prof. Niehaves. Doch das alles müsse kommuniziert werden. Ein Gesundheitskiosk soll daher zukünftig als Treffpunkt zum Austausch dienen. Einem ehrenamtlichen Netzwerk sollen auch technikaffine und sozial engagierte Jugendliche angehören, die den älteren Generationen den Weg in die Digitalisierung erleichtern. „Ein Helfernetzwerk bringt die Generationen zueinander und bietet für alle Beteiligten Vorteile“, sagte der Geschäftsführer des FoKoS, Dr. Olaf Gaus. Als Anreiz könnten die Jugendlichen ihr Engagement und die damit einhergehende Ausbildung zertifizieren lassen und so einen ersten Schritt auf dem Weg zu einer medizinischen Weiterbildung absolvieren, so Meike-Mirjam Drey von der evangelischen Landjugendakademie. In regelmäßigen Abständen könnten auch örtliche Gesundheitsanbieter in den Kiosk kommen und Vorträge zu medizinischen und pflegerischen Themenbereichen anbieten.

„Wir freuen uns, mit dem FoKoS einen kompetenten Partner im Bereich digitaler Gesundheitsversorgung für die auf uns zukommenden Herausforderungen im ländlichen Raum gewonnen zu haben“, sagte Landrat Michael Lieber nach dem Workshop. Ohne Innovation in der gesundheitlichen Versorgung und die dafür notwendige Weiterentwicklung der digitalen Gesundheitsversorgung befürchtet er Nachteile für Menschen, die auf dem Land leben.

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