Uni Siegen treibt Datenmedizin voran

Der Aufbau einer Datenmedizin zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum ist ein zentraler Forschungsschwerpunkt der Lebenswissenschaftlichen Fakultät (LWF) an der Uni Siegen. Das nordrhein-westfälische Ministerium für Kultur und Wissenschaft (MKW) hat jetzt eine Förderung bis 2028 zugesagt.

Es gibt zu wenige und zu alte Hausärzt*innen, während die Zahl der Patient*innen aufgrund des demographischen Wandels steigt: Viele ländliche Regionen in Deutschland steuern auf massive Probleme in der gesundheitlichen Versorgung zu. Wie Digitalisierung dazu beitragen kann, Ärzt*innen zu entlasten und gleichzeitig die Versorgung der Patient*innen zu verbessern, wird an der Universität Siegen intensiv erforscht. Seit 2019 wurde dafür die „Digitale Modellregion Gesundheit Dreiländereck“ (DMGD) aufgebaut. Sie dient der Lebenswissenschaftlichen Fakultät und ihren Kooperationspartnern dazu, eine moderne Datenmedizin zu entwickeln und zu erproben. Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft (MKW) des Landes Nordrhein-Westfalen sieht in dem Vorhaben großes Potenzial und hat eine Förderung bis 2028 zugesagt.

„Das ist eine sehr gute Nachricht, die wir als Bestätigung unserer bisherigen Forschungsarbeit sehen. Im Bereich der Datenmedizin haben wir am Standort Siegen eine große Expertise aufgebaut, das wurde uns zuletzt in drei Gutachten attestiert“, sagt der Dekan der Lebenswissenschaftlichen Fakultät der Universität Siegen, Prof. Dr. Christoph Strünck.

Wissenschaftsministerin Ina Brandes: „In der ‚Modellregion Gesundheit Dreiländereck‘ wird deutlich, wie wir die Chancen der Digitalisierung klug nutzen, um das Leben der Menschen besser zu machen. Die Gesundheitsversorgung durch Hausärztinnen und Hausärzte im ländlichen Bereich ist eine große Aufgabe. Die digitale Übertragung von Gesundheitsdaten kann helfen, dass sich Patientinnen und Patienten nur dann auf den Weg in die Praxis machen, wenn es wirklich nötig ist. Ich bin beeindruckt, wie schnell der Weg von der Forschung in die praktische Umsetzung gelungen ist.“

Unter dem Dach der DMGD setzt die Uni Siegen zusammen mit Praxispartnern verschiedene Forschungs- und Entwicklungsprojekte um, um digitale Lösungsansätze im Bereich der Gesundheitsversorgung zu erproben und zu evaluieren. Im Grundsatz geht es dabei darum, Patient*innen-Mobilität durch Datenmobilität zu ersetzen: Patientinnen und Patienten zeichnen mit Hilfe digitaler Technologien zu Hause selbstständig wichtige Gesundheitsdaten auf – zum Beispiel den Blutdruck, den Puls, die Sauerstoffsättigung oder auch ein EKG. Diese Gesundheitsdaten werden via Smartphone automatisch in eine Arzt-Cloud transferiert und mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz voranalysiert. Den Ärzt*innen werden die Daten schließlich in aufbereiteter Form präsentiert – sie sehen so auf einen Blick, bei welchen Patient*innen ein Besuch in der Arztpraxis erforderlich ist.

„Die Patientinnen und Patienten geraten dabei nicht aus dem Fokus, sondern ihr Gesundheitszustand wird im Gegenteil noch detaillierter kontrolliert. Die automatische Erhebung und Auswertung der Gesundheitsdaten hilft aber, nicht notwendige Arztbesuche zu vermeiden. So haben die Ärztinnen und Ärzte mehr Zeit für diejenigen, die wirklich Hilfe benötigen“, erklärt Prof. Dr. Rainer Brück von der LWF: „Es ist unsere feste Überzeugung, dass die Datenmedizin ein Weg sein kann, gerade die ambulante gesundheitliche Versorgung im ländlichen Raum zu sichern.“

Erste Projekte in Kooperation mit Hausärzt*innen, Patient*innen und Pflegeeinrichtungen in der Region sind bereits erfolgreich verlaufen. So konnte im Rahmen des Projektes „Datahealth Burbach“ gezeigt werden, dass Datenmedizin auf Seiten der Patientinnen und Patienten technisch funktioniert. In Zusammenarbeit mit zwei Hausarztpraxen der Gemeinde Burbach im südlichen Siegerland haben rund 20 Patient*innen ihre Gesundheitsdaten selbstständig digital aufgezeichnet. Die Daten wurden an die Praxen übertragen und führten dazu, dass die Ärzt*innen Therapien anpassen konnten, ohne dass die Patientinnen und Patienten dazu in die Praxis kommen mussten.

„Unsere Idee einer digital unterstützen Gesundheitsversorgung ist damit selbstverständlich noch nicht umgesetzt. Weitere Forschungspotenziale liegen unter anderem in einer intelligenten, automatisierten Auswertung der Vitaldaten – aber auch darin, Fachärzt*innen und Kliniken in den Prozess mit einzubeziehen. Uns schwebt die Vision einer ‚Digitalen Praxis‘ vor, die all diese Prozesse miteinander vereint. Durch die Förderung des Landes haben wir die Möglichkeit, daran weiter intensiv zu arbeiten“, sagt der Leiter der Digitalen Modellregion Gesundheit Dreiländereck, Dr. Olaf Gaus.

Die Förderzusage des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur bis 2028 ist vorbehaltlich der Zustimmung des Haushaltsgesetzgebers und bezieht sich neben der DMGD auch auf die zentrale wissenschaftliche Einrichtung INDIRA (Englisch: „Interdisciplinary Center for Digital Medicine and Health Services Research in Rural Areas“). Unter dem Dach von INDIRA setzt die Universität Siegen gemeinsam mit der Universität Bonn und den fünf Klinikpartnern in Bonn und Siegen Projekte im Bereich der digitalen Hochleistungsmedizin um.

In-Praxi-Test im Pflegeheim in Lützeln im Rahmen des DMGD-Projekts „DataHealth Burbach“, mit Studienarzt Dr. med. Nabeel Farhan (li.)

Ausstellung zum Projekt „DataHealth Burbach“ im Foyer „Unteres Schloss“ anlässlich des 50. Jubiläums der Uni Siegen

Nächste Meldung
Gesundheitspolitische Gespräche: Folge 16 mit Dr. Jochen Pimpertz
Vorherige Meldung
Neue Publikation: Paper zur nicht-invasiven Blutzuckermessung erschienen

Neueste Meldungen