Vitaldatenmonitoring: Expert*innen diskutieren in Linz über die Durchführung von In-Praxi-Tests

Am 6. März trafen sich Expert*innen aus Wissenschaft, Politik, Medizin und Verwaltung zum Workshop mit dem Titel „In-Praxi-Tests zum Vitaldatenmonitoring von Patientinnen und Patienten“ im Sitzungssaal des historischen Rathauses in Linz am Rhein. Nachdem im letzten Jahr bereits über Konzepte der zukünftigen gesundheitlichen Versorgung gesprochen wurde, diskutierten die Teilnehmer*innen nun konkret über die möglichen Vorteile und die Durchführbarkeit von In-Praxi-Tests im Raum der Verbandsgemeinde und Stadt Linz sowie dem Landkreis Neuwied.

Dr. med. Hans Georg Faust, Bürgermeister der Stadt Linz am Rhein, eröffnete die Veranstaltung und stellte heraus, dass die Entlastung der Ärzt*innen im Mittelpunkt der Überlegungen stehe. Auch Frank Becker, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Linz, sagte, dass er in der Digitalisierung eine Chance sehe, Engpässen in der Gesundheitsversorgung zu begegnen. Dr. Faust verlas zudem ein Grußwort von Landrat Achim Hallerbach. „Wir sind uns bewusst, dass die Zukunft der medizinischen Versorgung nicht nur von technologischer Innovation, sondern auch von strategischen Partnerschaften abhängt“, schrieb der Landrat. Es gehe nicht darum, den Praxen noch mehr Aufgaben aufzubürden, sondern sie zu entlasten. Das Ziel bestehe darin, „durch innovative Technologien und moderne Konzepte die ärztliche Versorgung im Landkreis zu optimieren“. Achim Hallerbach sieht in dem Workshop den „Beginn eines wegweisenden Projektes der Digitalen Praxis“ und bat um die aktive Mithilfe und Unterstützung der anwesenden Expert*innen.

Konzept einer ‚Digitalen Praxis‘
Dr. Olaf Gaus, geschäftsführender Leiter der Digitalen Modellregion Gesundheit Dreiländereck (DMGD), stellte im Anschluss das Forschungskonzept einer ‚Digitalen Praxis‘ als Kombination aus fortschrittlicher Messtechnik zur Vitaldatenerhebung und intelligenter Infrastruktur zur KI-gestützten medizinischen Datenverarbeitung vor. Er stellte klar: „Digitale Versorgung muss mindestens die Qualität erreichen, die die bisherigen, nichtdigitalen Verfahren auch haben.“ Alle beteiligten Personen müssten durch die Maßnahmen, mit denen eine Vereinfachung der Versorgungsprozesse angestrebt wird, auch eine merkbare Entlastung erfahren. Im Zuge seiner Ausführungen ging er auch auf Erkenntnisse aus den DMGD-Projekten DataHealth Burbach, DigiDocs und Telemed@ATN ein.

Plan für Linz und den Kreis Neuwied
Zudem stellte Dr. Olaf Gaus die konkreten Rahmenbedingungen für das Vitaldatenmonitoring vor, das in Linz und im Kreis Neuwied in mindestens drei hausärztlichen Praxen ausprobiert werden sollte, um „eine Synthese aus Telemonitoring und -medizin zu generieren“: Derzeit wird von einer Gesamtlaufzeit des Projekts von einem Jahr ausgegangen. Diese Zeit umfasst die Erstellung eines Ethikgutachtens, die technische und organisatorische Vorbereitung, die drei Monate dauernden In-Praxi-Tests und die darauffolgende wissenschaftliche Auswertung der Ergebnisse. Pro Praxis sollen zehn Patient*innen an der Studie teilnehmen. Die Überwachungsdauer der Patient*innen und die zu messenden Vitalwerte werden individuell durch die Mediziner*innen festgelegt. Auch ein Studienarzt und ein technisches Partnerunternehmen werden involviert sein. Neu ist die ‚halbautomatische Gesundheitsdatenauswertung‘: Graphische Darstellungen der gemessenen Werte werden den Ärzt*innen in Form von Reports zur Verfügung gestellt. Des Weiteren wird ein Ampelsystem genutzt.

Stimmen aus der Diskussionsrunde
Dr. med. Martin Joch, Facharzt für Innere Medizin, Diabetologie und Notfallmedizin, gab zu bedenken, dass mehr (Vital-)Daten auch bearbeitet und ausgewertet werden müssen, wofür er aufgrund der ohnehin häufig angespannten Personallage in den hausärztlichen Praxen keine freien Kapazitäten sieht. Dr. Olaf Gaus erläuterte, dass die Werte der Patient*innen insbesondere für den Bereich der Prävention gesammelt werden sollten. Er bestätigte, dass die Daten für eine nicht zeitintensive Sichtung automatisch ausgewertet werden und komprimiert im Praxisverwaltungssystem (PVS) erscheinen müssten.

Prof. Dr. med. Markus Bleckwenn, Facharzt für Innere Medizin und Allgemeinmedizin, sprach sich dafür aus, sich mit dem Vitaldatenmonitoring auf eine überschaubare Patient*innengruppe zu konzentrieren. Er nannte insbesondere Patient*innen in Altenheimen oder Erkrankte, die Hausbesuche benötigen. Hier könne das Monitoring entlasten, da die Besuche von Patient*innen außerhalb der Praxis viel Zeit kosten würden, so Prof. Bleckwenn. Karola Stümper, Weiterbildungsassistentin für Allgemeinmedizin in der Hausarztpraxis Reul & Bleckwenn, regte an, neben der Übermittlung von Vitalparametern auch Rückmeldungen von psychisch erkrankten Personen in das Monitoring einzubinden. Die Gespräche im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung in den hausärztlichen Praxen seien verhältnismäßig zeitaufwändig, berichtete Frau Stümper. Dr. Gaus unterstützte den Vorschlag und bezeichnete die Übermittlung von Informationen seitens der Patient*innen im Rahmen von anzustrebenden Verhaltensänderungen als effizient. Der Fokus des geplanten Projekts liege grundsätzlich auf „technisch unterstützten Möglichkeiten der gesprochenen Medizin“, so Dr. Gaus.

Prof. Dr. med. Martin Mücke, der dem Workshop online zugeschaltet war, würde das Projekt von Seiten des Instituts für Digitale Allgemeinmedizin der Uniklinik RWTH Aachen unterstützen. Allgemein wurde überlegt, auch Interessent*innen aus dem politischen und wirtschaftlichen Bereich einzubeziehen. Dr. Olaf Gaus merkte dahingehend an, dass die Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung schließlich auch für die Unternehmen – insbesondere in ländlichen Regionen – als Standortfaktor immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Resümee und Perspektiven
Dr. med. Hans Georg Faust räumte ein, dass die Durchführung des Projekts zusätzlichen Aufwand für die teilnehmenden Ärzt*innen bedeuten wird. Er appellierte an die Mediziner*innen, sich dennoch im Projekt einzubringen, um den „Start für neue Praxisabläufe und -prozesse“ nicht zu versäumen und um einen drohenden medizinischen Notstand in der Region zu verhindern. Er freue sich über den „Innovationsschub, der sich nicht sofort auszahlt, aber die Befriedigung gibt, an der Weiterentwicklung der digitalen Medizin in Deutschland mitzuarbeiten“, so Dr. Faust. Dr. Olaf Gaus griff den von Prof. Bleckwenn genannten Punkt auf und überlegte, den Pflegesektor stärker einzubeziehen. Dr. Faust schloss den Workshop mit den Worten „Die Diskussion hat gezeigt, dass Interesse besteht, dass es weitergeht.“ Als nächster Schritt ist ein Gespräch mit Landrat Achim Hallerbach und anderen Kreisen geplant, um die nötigen Fördermittel aufzubringen.

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